Die Transibirische Eisenbahn: Der Dialog zwischen Rädern und Schienen
Moskau Ostbahnhof, 21.25 Uhr. Zug Nr. 2 mit seinen 19 Wagen rollt langsam aus dem Bahnhof. Vor ihm liegen 9298 Kilometer, zuerst durch die russische Taiga, dann die Weite Sibriens. Über Nowosibirksk, Orusk, Jekaterinenburg und Irkutsk fährt der Zug bis nach Wladiwostok. 8 Tage und 7 Nächte.
Jeder Wagen hat seine ganz spezielle Stimmung, seine besondere Atmosphäre. Wagen 12 und 13 gehören zur 1. Klasse. Sie sind von einer grossen Schweizer Intourist-Reisegruppe belegt. Diese Gruppe blockiert jeden Tag während mehreren Stunden den Speiseabteil in Wagen 6. Wir wohnen als einzige Westeuropäer in Wagen 5 der 2. Klasse. Im Wagen hat es 9 Abteile mit je 4 Betten. Wir sind in Abteil 8, fast am Schluss des Wagens.

Ganz vorne wohnt Tanja. Sie ist die Wagenchefin und wohnt in Wolgagrad, «you know: Stalingrad». Tanja spricht ein paar Worte Englisch: «No Problem» ihre Antwort auf unsere Fragen. Immer wenn wir in einen Bahnhof fahren trägt Tanja die offizielle Uniform. Danach wechselt sie sofort wieder in ihren Trainingsanzug. Tanja arbeitet die ganze Strecke von Moskau bis Waldiwostok. Dort hat sie 5 Stunden Pause, dann geht es wieder zurück – 8 Tage und 7 Nächte – nach Moskau. Jetzt hat sie 5 Tage Pause und sie kann nach Hause nach Wolgograd. 400 Dollar ist ihr Lohn für eine Tour. Während der Fahrt hat Tanja einen kleinen Shop. Da gibt es alles was wir für die Reise brauchen: Wasser, Bier, Croissants, Fertiggerichte. Und was sie nicht hat, organisiert sie am nächsten Bahnhof.

Der Tag im Zug hat seinen festen Ablauf: Um 9 Uhr werden die beiden Toiletten gereinigt, um 10 Uhr kommt Tanja mit dem Staubsauger in jedes Abteil. Um 15 Uhr werden wieder die Toiletten gereinigt. Von 24 bis 6 Uhr hat es Strom auf den Steckdosen im Gang. Jetzt können Handys und Laptops geladen werden.

In Abteil 2 wohnt eine Mutter mit ihrem etwa 20jährigen Sohn – wir nennen ihn Vladimir. Die Mutter löst den ganzen Tag Kreuzworträtsel. Ihr Sohn ist der Gigolo des Zuges. Florian ist von seinem linken Vorderzahn mit der russischen Fahne stark beeindruckt.

In Abteil 4 da sitzt der ältere Mann. Sein graues Unterhemd und die kurzen grauen Hosen werden immer schmutziger. Er ist der heimliche Chef im Zug, den er hat einen Dreikantschlüssel, mit dem er jedes Abteil öffnen kann. Am letzten Abend schenkt er Florian diesen Schlüssel – und freut sich riesig über das kleine Schweizer Sackmesser.

Wir sind zwischen Abteil 7 und 9. In beiden Abteils gibt es immer wieder Wechsel. Leute steigen ein und aus. In Abteil 9 wohnt seit Nowosibirsk ein Mann mit schwarzen Nadelstreifenhosen mit seiner Partnerin. Ab und zu verschwinden die Beiden auf der Toilette.

Alle paar Stunden hält der Zug. Auf dem Perron verkaufen Händlerinnen und Händler alles Nötige und Unnötige für eine Zugsreise. Das Angebot wechselt je nach Gegend. Zuerst gibt es Beeren und Brötchen, später immer mehr getrockneten Fisch.

Am Baikalsee betreut uns Olga. Die 21 jährige Studentin studiert Deutsch an der Universität in Irkutsk. Sie zeigt uns die fantastische und erfrischende Landschaft am Baikalsee. Als wir zum Zug zurückfahren, kommt hinter uns ein Feuerwehrfahrzeug mit Blaulicht. Niemand weicht aus, die Feuerwehr fährt in der Kolonne: «Das ist eben Russland» meint Olga…
suroflo
 

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